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Geschichte vom Fliegen und Hinken
„Was man nicht erfliegen kann, muss man erhinken.“
Dieses Zitat des arabischen Poeten Al-Harîrî,
in der
deutschen Nachdichtung des Lyrikers Friedrich Rückert,
lässt sich metaphorisch auf den Arbeitsprozess
von Georg Schmidt übertragen.
Manche Bilder lassen sich erfliegen. Vom ersten Pinselstrich an scheint
sich alles zu fügen.
Die Arbeit offenbart ihre Bildstruktur und entsteht in einem Fluss.
Doch so einfach und
effektiv ist das Vorankommen meistens nicht.
Großenteils ist der Arbeitsprozess kein geebneter Weg mit
erkennbarem Ziel,
sondern geleitet von Umwegen und Unklarheiten. (...)
Gelingt es,
dass die Momente des Zufalls ihre Plausibilität im Bildgefüge entwickeln
ist eine bedeutende
Basis für das vollendete Werk geschaffen.
„Das ist der Moment“, betont Georg Schmidt, „an dem ich nicht
nur auf das Bild höre, sondern aufhöre.“
Pia Bendfeld aus dem Katalogtext zur Ausstellung Geschichte, 2019 Düsseldorf
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Kalibrieren
Der Raum in dem ich mich befinde,
hat einen Funktionswechsel erfahren;
von der Abschußbasis
nuklearer Marschflugkörper hin zum Experimentierfeld
bildnerischer
Formulierungen.
Malerei ist eine Reflektionsform, die zu
Erkenntnissen führt, ohne das Korsett
der Sprache zu haben. Das
Licht ist ihr Material. Dort, wo es auftaucht, entsteht Malerei.
Es
läßt sich nicht illustrieren, sondern entwickelt sich aus der
räumlichen Bewegung der Farbe.
Farbtemperaturen bilden das
Spannungsfeld zur Bildebene. Bilder sind
´Lichtkatalysatoren´
geistiger Reflektion.
Malerei ist kein
Problem von Sujet, Bildhaftigkeit, Abbild oder Illusion.
Mit der Wahl extremer Formate stellt sich die Frage nach dem
Wahrnehmungsmodus.
Ein Hochformat tritt einem anders entgegen als
ein Querformat. Die Frage nach diesem ´Anders´
und seine
Auswikung auf die Licht-Raumbeziehung sind ein Thema meiner
Richtscheite.
Die Richtscheite werden in horizontaler Lage
aktiviert. Farbbewegungen werden beschleunigt
und die
Farbausdehnung im Raum nimmt zu. Durch die horizontale Hängung des
Körpers
entwickelt sich die plastisch-skulpturale Kraft des
Bildes.
Zu dem Entstehungsprozess: "Was man nicht
erfliegen kann, muß man erhinken."*
Der Hinkende ist sich
des Bodens nicht sicher und in Orientierungsnöten. Er ist sich
ständig bewußt
über seine Bewegung im Raum.
Die Frage
nach dem Raum und der Zeit wird in der Suche nach den Orthogonalen
immer neu formuliert.
Die Bewegung ist das Verbindende, oder
zumindest ist sie notwendig, um Zeit und Raum Wahrzunehmen.
Bewegung
bedeutet nicht nur die unbeweisbare physikalische, sondern geistiges
Sein.
G. S. November 1997
Calibrating
The space in which I find myself has undergone change of
function;
from being a launching site for nuclear-armed cruise
missiles, it has become a space for experimentation
in the field
of pictural formulas.
Painting is a manner of reflection, which
gives rise to insights without having recourse to the corset of
language.
Light is its material; painting occurs where
light appears.
It cannot be illustrated, but rather manifests
itself in the spartial movement of colour.
The contrasts of
colour temperatures turn the field of colour into a picture plane.
Painting are ´lightcatalysts´
of thought
(intellectual reflection). Painting is not a problem of subject
matter, pictorality, depiction or illusion.
The choice of
extreme formats percipiates questions about the way in which the work
is percieved.
A vertical format has a different impact from a
horizontal format. The question of this difference and its effect
on
the relation of light and space is the theme of my Richtscheite
(spirit levels). The Richtscheite are activated
in a horizontal
position. The movement of colours is accelerated, and their
expansion in space increases. In the
horizontal hang of the object
it is the plastic, sculptural force of the painting that develops.
On the Painting process: "What one cannot fly to, one must limp
toward."*
He who limps is not sure of the ground he is on and
has difficulty oriententing himself. He is constantly aware of
his
movement in space.
In the search for the ortogonal
the question of space and time is continually reformulated. Movement
is that
which is at least necessary for the perception of time and
space.
Movement not only in the indemonstrable physicl sense, but
also in that of intellectual being.
G. S. November
1997
* S. Freud zitiert F. Rückert, aus J. F. Liotard,
Philosophie und Malerei im Zeitalter ihres Experimentierens,
Merve
Verlag Berlin 1986
Translated by Andrew Chesher
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